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Schätzchen des Monats: Marina Steinbach und die Fotografie „Hexenhaus“

1. März 2024

Wer Donnerstags oder Samstags am Nachmittag im Museum vorbeikommt oder auf Vernissagen einen Aperol Spritz bestellt, kennt die beiden garantiert: Marina und ihren schwarzen Pudel Lilly. Dabei arbeitet Marina noch gar nicht so lange im Café. Warum sie sich vor eineinhalb Jahren dazu entschlossen hat, sich auf ein Ehrenamt zu bewerben, und in einer unserer Ausstellungen ihre erste große lesbische Liebe wiedergesehen hat, ist eine der vielen tollen Geschichten, die unsere Mitarbeitenden zu erzählen haben. In diesem Gespräch stellt sie uns das Schätzchen vor, das für sie völlig überraschend persönliche und Museumsgeschichte verknüpft hat.

Liebe Marina, wie schön, dass wir dich kennen lernen dürfen! Magst du dich mal kurz vorstellen: woher kommst du, was machst du, was beschäftigt dich?

Vor eineinhalb Jahren habe ich eine ehrenamtliche Tätigkeit im queeren Zusammenhang gesucht. Ich wäre da nicht unbedingt zuerst aufs Schwule Museum gekommen, habe dann aber eine Anzeige gesehen in der Siegessäule, und dachte, das könnte ich mal ausprobieren. Ich bin von Beruf Unternehmensberaterin gewesen, habe auch in einer Bank gearbeitet, also immer so im Finanzierungsbereich, und dazu gekommen bin ich tatsächlich auch im Zusammenhang mit meinem Schätzchen…

Dazu kommen wir später! Aber dann bist du ja noch gar nicht lange bei uns, wir beide sind hier noch Küken sozusagen…

Ja, aber ich habe mich hier schon am zweiten oder dritten Tag sehr zuhause gefühlt. Das ging anderen, wie ich weiß, auch so, und ich fühle mich auch nach wie vor im Ehrenamt hier sehr wohl.

Wie schön!

Ich habe inzwischen die Zeit dafür, weil ich voriges Jahr so langsam aufgehört habe zu arbeiten. Ich habe einen Schicksalsschlag erlitten, der mich ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Danach habe ich erstmal noch mehr gearbeitet und dann sehr bald festgestellt, dass ich mal runterfahren muss. Da habe ich beschlossen: erstens, ich schaffe mir einen Hund an – und zweitens suche ich mir eine Tätigkeit, die sinnvoll ist und mir Spaß macht.

Und warum hast du so gezielt eine ehrenamtliche Tätigkeit im queeren Bereich gesucht?

Na, weil ich selber lesbisch bin. Und weil ich so viel gearbeitet habe, und deshalb so wenig in der Szene war vorher. Ich war mit meiner Frau 21 Jahre lang zusammen, da ist man sich zum Teil ein bisschen selbst genug, und wir haben zwar politisch Dinge unterstützt, aber eben nicht aktiv in der Szene. Und deshalb habe ich jetzt darauf Lust – und was ich nicht wollte, war ein Ehrenamt im Krankenhaus oder sowas, das geht mir zu nah.

Jetzt bist du bei uns ja unter den Ehrenamtlichen eine der wenigen Frauen*, wie fühlst du dich damit?

Sauwohl! (lacht) Meine Frau und ich hatten schon immer im Leben viele enge schwule Freunde, ich habe das meistens als sehr angenehm empfunden. Ich hatte natürlich auch mal eine klassische Phase, in der ich Männer aus meinem Leben ausgeschlossen habe. Das lag an der Zeit, wir haben uns Frauenräume erstritten – und da stehe ich auch heute noch dazu, dass wir das gebraucht haben, um unser eigenes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das hat sich dann aber mit der Zeit für mich, weil ich wusste, wer ich bin und wie ich leben will, aufgelöst. Und dann kamen die Freundschaften dazu. Und hier im Schwulen Museum… ich mag die! Wir kommen im Team supergut miteinander klar.

Würdest du dir wünschen, dass hier mehr Frauen arbeiten?

Ja, das fände ich schon gut. Aber es sind ja jetzt ein paar aufgetaucht, auch ein paar jüngere. Es fängt an, sich ein bisschen mehr zu mischen, und das finde ich natürlich am allerbesten, weil ich selber auch schon älter bin und gerne mitkriege, was in der jungen Szene so los ist.

Was für einen Eindruck hast du denn in den eineinhalb Jahren von unserem Publikum bekommen?

Das ändert sich ja immer ein bisschen mit den Ausstellungen. Bei „Aufarbeiten“ war das Publikum wissenschaftlicher orientiert und hatte meist schon Hintergrundinformationen zum Thema. Bei der Eröffnung der Rüdiger-Trautsch-Fotoausstellung war dagegen eine ganz andere Zielgruppe da. Weswegen ich aber generell so gerne hier arbeite, ist das sehr internationale und gemischte und sehr diverse Publikum, egal ob Alter, sexuelle Orientierung… Ich finde toll, wie jung die Leute teilweise sind, die zu uns kommen, manchmal sogar Eltern mit ihren Kindern, das erweicht mir das Herz, ehrlich gesagt. Eine ganz rührende Szene habe ich erlebt, als sich ein älterer Mann mir gegenüber geoutet hat…

Im Museumsdienst?

Ja, er meinte, das sei das erste Mal, dass er jemandem erzählt, dass er schwul ist. So was kann man hier erleben. Da liefen mir fast die Tränen…

Ich wollt dich gerade nach deinem schönsten Tag im Museum fragen…

Also, der gehörte auf jeden Fall dazu! Da war ich vom Donner gerührt, dass offensichtlich die Atmosphäre im Museum diesen Mann dazu gebracht hat, das einfach einmal auszusprechen.

Ihr habt ja auch den direkten Kontakt zum Publikum…

Ja, und ich bin ziemlich kontaktfreudig, ich quatsche ja alle an. Und ich habe es total gerne, wenn im Café richtig viel los ist.

Dann kommen wir jetzt mal zu deinem Schätzchen, das ist ein Foto vom Hexenhaus in der Liegnitzer Straße, ca. 1981…

Ja, das gibt es immer noch. Ich habe von 1982-89 im Feministischen Frauengesundheitszentrum (FFGZ) gearbeitet, und das hatte anfänglich Räume in diesem besetzten Haus, das wurde später legalisiert und auch saniert und instandgesetzt, das habe ich damals miterlebt. Ich war noch nicht so lange in Berlin, aber vorher auch schon in Bonn feministisch aktiv. Im Nachhinein habe ich feststellen müssen, dass es dort überhaupt keine lesbische Sichtbarkeit gab, ich wusste gar nicht, dass es lesbische Frauen gibt…

In feministischen Projekten? Krass…

Ja, das ist aus heutiger Sicht unglaublich, da war niemand sichtbar. Unterbewusst war das bestimmt ein Grund, um nach Berlin zu gehen. Ich habe Politik studiert und wollte andere Menschen kennenlernen, und dann habe ich parallel zum Studium angefangen, im FFGZ zu arbeiten. Sowohl da wie auch im Hexenhaus gab es natürlich Lesben ohne Ende, auch solche, die das nicht versteckt haben, und dann wurde mir erstmal klar, dass es diese Lebensform gibt. Und dann habe ich mich auch zum ersten Mal richtig und vollständig und heftig in eine Frau verliebt.

Und die sehen wir auf diesem Foto…

Die sehen wir auch auf diesem Foto (lacht). Daraus ist zwar nicht wirklich was geworden, aber es war ein Anfang. Und als ich mein Soziologie-Studium beendet hatte, habe ich in diesem Projekt angefangen, alles zu machen, was mit Geld, Finanzen, Buchhaltung und Fördermitteln zu tun hatte – und dann beschlossen, das zu professionalisieren und auch noch Betriebswirtschaft zu studieren. So schließt sich dann ein Kreis.

Und du bist im Schwulen Museum dann wie auf dein Schätzchen gestoßen?

Das war sehr witzig. Zweiter oder dritter Dienst, ich hatte noch gar keine Zeit, mir die aktuelle Ausstellung anzuschauen, da kam Jona (Schätzchen des Monats November 2023), die mich nach meiner Vergangenheit gefragt hatten, aus der Aufsicht, und sagte mir: in der Tuntenhaus-Ausstellung gibt es Fotos von dem Projekt, mit dem du zu tun hattest! Das war geradezu berauschend, dass sich für mich als lesbische Frau ausgerechnet im Schwulen Museum da so ein Kreis schließt.

Wie bist du denn eigentlich zum Feministischen Gesundheitszentrum gekommen?

Damals war Gesundheit gar nicht so das eigentliche Thema, das mich interessiert hat. Es war ein feministisch-politisches Projekt, und das war, wie jetzt auch, einfach etwas, was ich gesucht habe und mit dem ich mich wohlgefühlt habe. Es gab damals auch viele Frauenprojekte, die mich überhaupt nicht gereizt haben, so was Esoterisches, wir pflanzen unseren eigenen Ingwertee und so weiter, das war nie mein Thema.

Und wenn sich deine Arbeit als Unternehmensberaterin daraus entwickelt hat, hattest du da auch einen queeren Ansatz? Gibt es sowas wie eine feministische Finanzberatung?

Also ich weiß oft nicht, was an manchen Unternehmen so queer sein soll. Aber ich hatte schon immer einen Bezug zu Frauen – und dazu, Frauen darin zu stärken, selbstbewusster mit Geld umzugehen. Da fiel immer der erste Satz: Bloß kein Kredit, das krieg ich schon so hin! Aufgrund ihrer Sozialisation haben Frauen oft die Tendenz gehabt, viel zu klein zu denken, während Männer gleich sagen: ich errichte erstmal ein Imperium…

… und dann schau ich mal weiter!

Genau. Frauen sind da viel vorsichtiger, aber dann auch total motiviert, für sich da was auf die Reihe zu kriegen. Das hat bei mir immer eine Rolle gespielt.

Warst du eigentlich mal im Schwulen Museum, bevor du dich auf diese Anzeige gemeldet hattest?

Ganz früher mal, am Mehringdamm. Da war es mir zu schwul! (lacht) Das war nicht so, dass ich damals gedacht habe, da müsste ich ab jetzt regelmäßig hin.

Und dann kommst du wieder und begegnest deiner eigenen Vergangenheit. Könntest du dein Schätzchen in drei Wörter beschreiben?

Lesbische Sichtbarkeit… Feminismus… und als drittes…

Vielleicht noch was Persönliches?

Na, dann sag ich doch mal: Liebe!

Wie schön… Fühlt sich Lilly denn auch wohl im Schwulen Museum?

(Lacht). Eigentlich fühlt sie sich sehr wohl, sie kennt alle und hat ihr Plätzchen gefunden. Aber wenn ich lange hier bin, wird es ihr ein bisschen zu langweilig.

Hat sie denn auch ein Schätzchen?

Nein, aber sie hat schon den Ball von Silva, dem Bürohund, zerfleddert.

War bestimmt nicht böse gemeint. Vielen Dank, liebe Marina, dass du uns von dir erzählt und bestimmt vielen Lust aufs Ehrenamt bei uns gemacht hast!

(Interview & Foto: Jan Künemund)